Auf einer langen Zugreise habe ich mich etwas auf Youtube herumgetrieben.
Dabei sind mir auch einige VLOGS mit den Themen Schweden und Norwegen aufgefallen.
Also ein bisschen geschaut und mich über tolle Bilder und sogar die eine oder andere Inspiration gefreut,
gleichzeitig aber auch etwas von dem super positiven Kalenderspruchsprech genervt gewesen.
Irritiert hat mich, warum man erst über sein Fahrrad spricht um dann Werbung für eine Powerstation zu machen.
Am Ende eines Videos kam dann der Hinweis, dass man ja auch eine Wohnung zu vermieten hätte, man solle
doch mal in die Kommentare schauen. Gemacht getan.
Und weil ich bei sowas - ist eine Berufskrankheit - auch gleich aufs Impressum schaue, war ich erstaunt.
Man lebt mal hier mal dort. Man ist häufig in einem skandinavischen Land. Man hat einen
deutschsprachigen Kanal und bewirbt Produkte für eine deutsche Zielgruppe....ABER da stand eine Adresse
in den USA, genauer in Florida mit einer LLC.

Das hat mein Interesse geweckt, denn auch bei der Vermietung war diese LLC in den USA als Firma angegeben.

Also etwas recherchiert zu LLCs und damit auch das kanadische Pendant die LLP gefunden.
Letztlich sind das Briefkastenfirmen, nur halt nicht auf einem Pazifikatoll, sondern in "First-World-Countries".
So ganz klar war mir das dann nicht, warum das so läuft, bis ich bei genauerem Hinschauen gemerkt habe, dass es da noch eine Firmenadresse gab.
Und so langsam (diesmal war ich froh über den verpassten Anschluss in Kassel) dämmerte es mir was da abläuft:

Ohne festen Wohnsitz in Deutschland ist man hier erst mal nicht per se Einkommensteuerpflichtig.
Wenn man immer wieder den Aufenthaltsort über Länder hinweg wechselt, ist man das idR in den Ländern, die man bereist auch nicht.
Wenn man dann vor allem ja eine eigene Firma hat, die Rechnungen schreibt und sich sogar eine europäische USt-ID besorgen kann,
ist nicht nur das Einkommen quasi steuerfrei, sondern man kann auch noch die USt (MWSt) bei Eingangsrechnungen ziehen und kauft somit teure Gegenstände mit
sattem Rabatt.
Krass wird das Ganze aber dadurch, dass man zwei Firmenadressen parat hält. Eine z.B. in Kanada, das ist dann die offizielle Anschrift. Der wird aber eine Tochter zur Seite gestellt, die in einem Steuerparadies sitzt und die komplette Finanzabwicklung und damit auch die (steuerfreien) Gewinne macht.
Zwei Firmen auch deshalb, weil man beim Auswandern mit einer Firme je nach Konstellation sogar den Firmenwert bei der Auswanderung (incl. Betriebsmittel etc.) besteuern muss, wenn man alles korrekt macht.

So und weil das alles doch erst mal sehr komplex ist, habe ich gesucht und ein Erklärvideo auf Youtube gefunden:
https://www.youtube.com/watch?v=zuuFJswe9Xk

Da erklärt Alicia Joe den Komplex zusammen mit einem Steuerberater nochmal sehr detailliert.
Und weil diese "Aufdeckung" vielen der Influencer / Reisebloggern nicht gefiel haben die gleich mal eine Sperrung des Videos (Strike) beantragt bei Youtube. Dem wurde auch erst mal statt gegeben.
https://www.youtube.com/watch?v=3NCCBy6lJU4

So warum jetzt das Ganze?
Mich triggert es mittlerweile gehörig, wenn Influencer jedweder Art ihre Weisheiten raushauen, dass man seinen Traum doch nur leben müsse.
Dass man es einfach nur machen wollen müsse. Das man auch von 20 € am Tag komfortabel leben kann (sofern man bitte aber auch Produkt XYZ) kauft.
Dass man doch gerne verteilt sein kann, weil das ja cute ist und dennoch hier 10 Jahre im Campervan immer an den tollsten Plätzen aufwachen kann, und sich dann im Ruhestand nach 2 Jahren Reise mal eben so ein Haus in Schweden oder sogar Norwegen als "Base" kauft.

Und dann denkt man sich so: Ok als Selbstständiger mache ich alles selbst und Finanzamt, Versicherungen etc. wollen ständig Kohle von mir sehen.
Ist ja auch ok. Dafür nutzt man die Vorzüge des Staates. Aber irgendwie scheint es hier doch ein Ungleichgewicht zu geben.

Und dann wird da ein Schuh draus, wenn Reiseblogger sich über ein komplexes Firmengeflecht (von wegen verpeilt...) echt Offshore Firmen zulegen, damit komplett EKSt.-frei leben und meistens auch keine (EU)USt zahlen, also grob schnell mal das doppelte Netto eines Regelversteuerers haben und dabei dann über "positivity" etc. labern.

Leute...da wird man echt sauer. Und dabei ist noch nicht mal erwähnt, dass ebendiese Leute dann auch permanent von Nachhaltigkeit predigen und sehr unwirsch werden, wenn man ihnen - wie unlängst selbst erlebt - zusammen mit der Schwedischen Länge-Verwaltung das Jedermannsrecht erklären muss, weil es ja nicht für das Übernachten auf einem Campingplatz reicht...

Long story short...sofern ihr Reisebloggern folgt oder deren Content anschaut. Macht das gerne. Aber bevor ihr dann auch noch Patreons werdet, um die Leute zu unterstützen (weil arme Reisende eben) schaut mal ins Impressum. Wenn da eine Firma in Kanada, USA (LLP, LLC) oder was auch immer steht, haben die Leute wohl eher wenig Hilfsbedarf....moralisch gesehen meiner Meinung nach eh nicht...


Sorry für den langen Text, aber das musste raus, v.a. weil hier sicher auch viele diese Reisevideos anschauen.

Und am Ende noch der Hinweis....es gibt auch genug Reiseblogger oder Schwedenblogger, die einfach eine deutsche Anschrift mit entsprechender Steuernummer haben und somit ihre Einkünfte auch voll in Deutschland versteuern.

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Sehr gut aufgearbeitet !

Der Umgang mit dem Jedermansrecht in Schweden sorgt ja eh schon für immer mehr gesperrte Wege
und auffällige Ytuber in Sachen Steuerflucht und Kapitaleinsammeln
tauchen auch schön regelmäßig auf.

Schöne neue Welt halt.

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